Rezension: Arnaldur Indriðason – Schattenwege

Island Krimi Schattenwege Arnaldur IndridasonDer Island Krimi "Schattenwege" ist mein Lesetipp für Februar!

Island erfreut sich nicht erst seit der Fußball Europameisterschaft extremer Beliebtheit bei Touristen und steht auch auf meiner Reise-Wunschliste recht weit oben. Bevor es jedoch (hoffentlich) auch für mich irgendwann in das Land der atemberaubenden Natur geht, habe ich mir quasi als Vorgeschmack den spannenden Island Krimi „Schattenwege“ von Arnaldur Indriðason gegönnt. Mein Februar Lesetipp!

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eykjavik. Ein alter Mann wird tot in seiner Wohnung aufgefunden. Schnell stellt sich heraus, es war Mord. In der Wohnung des Opfers findet die Polizei Zeitungsartikel über einen anderen Mord aus den Kriegsjahren. Eine junge Frau war damals erdrosselt am Nationaltheater aufgefunden worden. Der pensionierte Kommissar Konrað bietet seiner ehemaligen Kollegin Marta an, in dem Fall zu ermitteln. Auch, weil der Fall der ermordeten Frau ihm aus seiner Kindheit nur allzu gut bekannt ist. Was hat dieser alte Fall mit Konrað zu tun, oder dem Mord? Und welche Rolle spielte der „Zustand“ Islands dabei?

Arnaldur Indriðason entwirft in „Schattenwege“ gleich mehrere Zeitebenen, um seinen spannenden Island Krimi zu entfalten. Dies sind primär die Gegenwart, in der Ex-Polizist Konrað ermittelt, und die Zeit nach dem Mord an der jungen Frau Anfang der 1940er Jahre.

In dieser vergangenen Zeit sind es der isländische Polizist Flóvent und der kanadische Militärpolizist Thorson, die die Spurensuche aufnehmen. Thorson ist sogenannter „Westisländer“ – soll heißen: er ist in Kanada aufgewachsen und gemeinsam mit den stationierten Soldaten in den Kriegsjahren nach Island zurückgekehrt. Aus dem Grund ist er auch für Flóvent ein guter Kollege, als es um die Leiche am Nationaltheater geht. Denn im Verdacht steht zunächst ein amerikanischer Soldat.

Der „Zustand“… oder war die Zeit einfach reif für gesellschaftliche Umbrüche?

An ihm und seiner isländischen Freundin Ingiborg erläutert Indriðason auch den sogenannten „Zustand“ – die plötzliche Anwesenheit von vielen ausländischen Soldaten und ihren Einfluss auf die bis dato ruhige und traditionelle isländische Lebenswelt. Viele der Soldaten – so wird am Beispiel von Frank Caroll alias Frank Ruddy klar – logen den zumeist unbedarften einheimischen jungen Frauen das Blaue vom Himmel herunter, um diese rumzukriegen. Der gefühlte (und vielleicht auch tatsächliche) Sittenverfall war umgangssprachlich einfach zusammengefasst als „Zustand“ betitelt.

Doch zwischen den Zeilen liest der aufmerksame Leser noch etwas anderes heraus. Es wird klar, dass hier zwei Faktoren aufeinander trafen. Auf der einen Seite waren die 1940er Jahre eine Zeit, in der auch in Island langsam gesellschaftliche Umbrüche stattfanden. Junge Frauen, die alleine in Wohnungen lebten. Die Möglichkeit, Abtreibungen vornehmen zu lassen. Frauen, die arbeiten gingen und ganz allgemein unabhängiger wurden. Sowie ein magischer Sog der größeren Städte und damit zusammenhängend mehr oder minder eine Flucht der jüngeren Generationen vom Land. Sicher hat die Stationierung der alliierten Soldaten diesen Umbruch wie ein Katalysator beschleunigt. Aber es drängt sich der Gedanke auf, dass nicht allein die Soldaten Schuld am „Zustand“ waren.

Landschaft Island

Die raue, schöne Landschaft Islands. (Quelle: Pixabay.com, Creative Commons Lizenz)

Island Krimi: Geschicktes Zusammenspiel von Vergangenheit und Gegenwart

Zurück zum Mordfall. Schnell stellt sich heraus, dass weder Ingiborg noch Frank Ruddy etwas mit dem toten Mädchen am Nationaltheater zu tun haben. Thorson und Flóvent finden jedoch etwas anderes heraus: die Tote hieß Rosmunda und hat kurz vor ihrem Tod eine Abtreibung machen lassen. Sie gab vor, von sogenannten „verborgene Wesen“, also Elfen und Zauberwesen, vergewaltigt worden zu sein. Eine Aussage, die die beiden Polizisten doch sehr befremdlich finden und die so gar nicht zur realistischen Rosmunda zu passen scheint. Als Flóvent und Thorson in der Region Snaefellsnes auf eine ähnliche Geschichte und eine weitere tote Frau stoßen, kommt der Fall endgültig ins Rollen.

Nach dem klassischen „Wer war es“ Prinzip ermitteln sowohl Flóvent und Thorson als auch Konrað. Während erstgenannte Rosmundas Mörder jagen, muss Konrað sich fragen, welche Rolle der tote alte Mann in der Gegenwart dabei spielte. War er an Rosmundas Mord beteiligt? Oder kannte er etwa den Mörder? Stück für Stück ermitteln die Polizisten auf ihren jeweiligen Zeitebenen und setzen für den Leser des Rätsels Lösung langsam zusammen.

Ruhig aber fesselnd: Ein Island Krimi, der Lust auf mehr macht

„Schattenwege“ ist sicher kein Krimi, der durch seine atemraubende Schnelligkeit oder Blutrünstigkeit fesselt. Indriðasons Stärke sind eher die bedachte Beschreibung des gesellschaftlichen Umbruchs in den 1940er Jahren und seine ruhige Entfaltung eines Mordfalls. Für Freunde der rasanten Krimikunst ist „Schattenwege“ also eher nicht geeignet. Für Leser, die gerne mitknobeln und eine langsame Erzählart mögen, ist Arnaldur Indriðasons Island Krimi auf jeden Fall absolut empfehlenswert.

Ich habe das Buch übrigens auf meiner Zugfahrt nach Stralsund gelesen und war dann so gefesselt, dass ich durchaus die ein oder andere Stunde lesend auf dem Hotelzimmer verbracht habe. Packend!

Arnaldur Indriðason
Schattenwege
Verlag: Bastei Lübbe, 2015

Hier geht’s zur gebundenen Ausgabe auf Amazon. Das Taschenbuch erscheint im September 2017. 

Für wen? Für Fans von unaufgeregt erzählten Skandi-Krimis.
Für wann? Am besten sofort! (Oder halt ein verregnetes Wochenende…)
Fazit? Kann es etwas Besseres geben, um sich noch mehr Lust auf Island zu machen?

Du träumst auch von Island? Dann solltest du unbedingt bei Elisa von take an adVANture vorbei schauen. Sie hat  einen Roadtrip durch Island im Winter gemacht – und ihre Fotos sind einfach der Hammer!

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1 Kommentare

  1. Liebe Imke,

    was für ein spannender Krimi! Da ich dieses Jahr jeden Monat ein Buch lesen möchte, kommt der gleich mal auf meine Leseliste. 🙂
    Und hab vielen lieben Dank für die Erwähnung.

    Lieben Gruß,
    Elisa

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