Wenn Backpacker nerven: Are you ready for Backpacking Poker?

Backpacking PokerQuelle: pixabay.com

Backpacker werden dir sagen, dass ihre Lieblingsbeschäftigung das Reisen ist. Was sie dir verschweigen? Ihre zweitliebste Beschäftigung: andere Backpacker mit ihren Reisegeschichten zu übertrumpfen. Hast auch du das Zeug zum Backpacking Poker-Star?

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u kennst dieses Spiel nicht? Es geht ganz einfach. Jemand erzählt eine Geschichte oder eine Gegebenheit und jemand anderes aus der Runde versucht das zu übertrumpfen. Du brauchst ein Beispiel? Bitteschön:

Kandidat 1: „Du warst in Vietnam nur mit dem Bus unterwegs? Hm… Ich hab eine Easy Rider Tour* gemacht. Da sieht man einfach mehr.“

Kandidat 2: „Also ich bin selber mit dem Motorrad gefahren. Das fand ich irgendwie… individueller…“

* Eine Tour bzw. Transport von A nach B, bei dem du auf einem Motorrad mitfährst.

Ich weiß nicht woher dieser Zwang unter Backpackern stammt, immer noch eins oben drauf zu setzen. Meine Vermutung ist, dass alle Menschen die Veranlagung dazu haben. Man denke nur daran, wie wir uns manchmal im normalen Leben versuchen mit den krassesten Überstunden, dem miesesten Gehalt oder den abgefahrensten Saufgeschichten gegenseitig auszustechen.

Philipp Hinz beschreibt auf ZEIT Online, dass unter Backpackern ein Wettstreit dazu herrscht, wer am günstigsten, authentischsten oder ungewöhnlichsten reist. Hier geht’s zu: „Unterwegs sein reicht nicht mehr“

Wie erkennst du Backpacking Poker?

Meistens fängt es ganz harmlos an. Man sitzt nett beisammen und irgendwann tauscht man Erfahrungen aus. Aber zu allem, was du erlebst und erzählst, wird es jemanden geben, der in jeder Kategorie ein größeres Ass im Ärmel hat.

Dabei sind die Kategorien immer dieselben:

Wer hat am wenigsten bezahlt?

„Was, so viel hast du bezahlt? Da hast du dich ja ganz schön übers Ohr hauen lassen. Also wir haben nur soundsoviel bezahlt. Da muss man echt krass handeln. Also mit unseren 3.000 Euro können wir mindestens 16 Monate auskommen.“

Verschiedene Geldscheine

Money, Money, Money – es ist ok, wenig Geld auszugeben. Genauso ok sollte es sein, viel Geld auf Reisen auszugeben. (Quelle: pixabay.com)

Wer hat den leichtesten (oder schwersten) Rucksack?

„Also ich reise immer nur mit Handgepäck. So viel braucht man ja gar nicht. Ich hab mittlerweile nur noch 7 Kilo.“

Wer ist am längsten unterwegs?

„Na, warte mal ab bis du so lange unterwegs bist wie ich. Dann… xzy“

Wer war in den meisten Ländern?

„Ach, du hast 15 Länder geschafft? Ich war in 35…“

Wer hat den krassesten Scheiß erlebt?

„Als ich mit dem Roller alleine in den Dschungel gefahren bin und mit einer Schlange gekämpft habe, nachdem ich bei diesem abgefahrenen Tribe übernachtet und beinahe die Stammesoberhaupt-Tochter geheiratet habe…“

Wer hat das ausgefallenste Reiseziel (wer ist am meisten off the beaten path)?

„Also deine Reiseroute ist ja nur entlang der ausgetretenen Pfade. Als ich in diesem kleinen Bergdorf 22 Stunden entfernt von xy war, das du nur nach 4 Tagen Wanderung erreichst…“

Und wer reist am „authentischsten“?

„Ich esse ja nur noch auf local Food Markets und reise in den einheimischen Bussen. Organisierte oder geführte Touren… nee, das ist mir einfach zu touristisch. Ich geh auf eigene Faust in den Dschungel.“

asiatisches Street Food

Quelle: pixabay.com

Gerade am Anfang meiner Weltreise fand ich die Backpacking Poker-Stars noch wahnsinnig beeindruckend. Was die alles erlebt hatten! Krasse Sache… Natürlich konnte ich zu dem Zeitpunkt nie gewinnen. Das Verhältnis kippte nach etwa fünf oder sechs Monaten Reise. Dann war ich der alte Hase und konnte die jungen Hüpfer übertrumpfen.

Wieso du dir gut überlegen solltest, ob du mitspielst

Damals, das gebe ich zu, habe ich öfter beim Backpacking Poker mitgespielt. Es ergab sich irgendwie und alle haben es gemacht. Rückblickend hätte ich das vielleicht nicht tun sollen. Denn unterm Strich ist das Spiel ganz schön egoistisch. Ich meine, was bringt es jemandem, wenn ich ihm im Nachhinein sage, dass er für etwas zu viel bezahlt hat? Außer, dass er sich schlecht fühlt…

Ich kann und will dir nicht vorschreiben, wie du reisen und dich verhalten sollst. Ob du beim Poker Wettbewerb mitmachst oder nicht, ist deine Sache. Wenn du dich dafür entscheidest, Poker-Star zu werden, dann solltest du dir über eines im Klaren sein: Es ist ein Spiel, bei dem man sich gegenseitig übertrumpft. Im Backpacking Poker schwingt daher immer latent eine Wertung mit. Nämlich die, dass nur derjenige Reisende gut ist, der in allen Kategorien mithalten kann.

Mittlerweile bin ich aus dem Spiel ausgestiegen. Auch zu Hause. Ich finde es ok, wenn andere Leute mit ihrem Reisestil glücklich sind, denn ich bin es ja auch mit meinem. Und ich möchte nicht, dass andere Menschen in meinem Umfeld das Gefühl bekommen, ich würde sie für schlechtere Touristen halten.

Quelle: pixabay.com

Quelle: pixabay.com

Also Krieg dem Backpacker?

Du fragst dich jetzt vielleicht, ob das hier eine Kriegserklärung an Backpacker ist. Nein, ist es nicht. Insgesamt sind wir Backpacker ja doch ganz nett und ich habe während elf Monaten Weltreise wirklich viele, viele großartige und herzensgute Backpacker kennengelernt. Deshalb müssen wir uns auch nicht selbst abschaffen. Wir sollten vielleicht nur versuchen, das Reisen ab und zu ein wenig gelassener und nicht so sehr als Wettstreit zu betrachten. Das würde vermutlich auch unser weltweites Image ein wenig aufpolieren.

Die wohl witzigste „Kriegserklärungen“ an nervige Backpacker – WELT: „Das Pack mit dem Sack“ – wir alle kennen einen Alex 

Und ein Plädoyer für weniger Reisestress und Vergleichswahn –
1 THING TO DO: „Abgesang: Wie wir das Reisen abschaffen“ – Marc ermutigt (angeregt durch den ZEIT Artikel) zu weniger Highlights abhaken und mehr einfach mal entdecken…

Reise doch einfach, wie du willst

Du hast es vielleicht schon bemerkt: Ich bin großer Verfechter davon, dass jeder einfach so reist, wie er gerne möchte. Da das so ein wichtiger Punkt ist, möchte ich ihn hier nochmals wiederholen.

Du magst organisierte Touren? Dann mach eine! Du bist gerne alleine unterwegs? Dann geh los! Du willst dich von Kopf bis Fuß in Artesanenkleidung werfen? Viel Spaß dabei! Du willst dich fünf Monate lang von Pho Bo ernähren? Be my guest! Du findest es toll, in Hotels anstatt Hostels zu übernachten? Go for it! Du willst lieber München anstatt Myanmar entdecken? Yeah! Pauschalreise ist eher dein Ding? Dann mach das! All das ist völlig ok und du solltest dir von niemandem einreden lassen, dass deine Art zu reisen „falsch“ oder weniger gut ist. Auch nicht von mir.

Es ist deine Zeit, dein Geld, deine Reise. Sie soll dir gefallen – nicht irgend jemand anderem. Vergiss das nie.

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18 Kommentare

  1. Hihi, hab ich gelacht! Und diese Gespräche wiedererkannt! Das, was du Backpacker-Poker nennst, ist wohl so alt wie das Reisen selbst. Manchmal denke ich, dass schon in der Steinzeit die Leute am Feuer zusammengesessen haben und versucht haben, einander mit ihren Geschichten zu übertreffen:.
    Jedenfalls hab ich schon vor 25 Jahren, auf meiner Reise durch Asien solche Gespräche erlebt, in China gerne mit dem Thema, wer am längsten im Hardseat-Zug gesessen hat. Als ich dann auch 2 Tage im Hardseater saß mit einem toughen Backpacker, da merkte ich, welch ein Quatsch hinter solchen Geschichten steht. Er hat sicherlich später auch von seinem superanstrengenden Tripp erzählt, aber verschwiegen, dass er so unausgeschlafen war, dass er mit seiner üblen Laune allen Leuten um ihn herum auf die Nerven ging.
    Beste Grüße
    Ulrike
    p.s. Captschas finde ich doof

    • Hallo Ulrike,
      ja, ich glaub auch, dass wir uns permanent mit anderen vergleichen. Beim Backpacken fällt es nur oft auf 😉 Liebe Grüße, Imke

      • So sehe ich das nun nicht. Ich vergleiche mich nicht mit anderen Reisenden, und halte mich an Leute, die das ebenfalls nicht nötig habe. Ich bin bei solchen Gesprächen eher zufälliger und gelangweilter Zuhörer

    • Hallo Lynn,
      danke für die netten Worte 🙂 Freue mich, dass ich mit meiner Einstellung nicht alleine bin. Deinen Artikel schaue ich mir auf jeden Fall am Wochenende an!
      Liebe Grüße,
      Imke

  2. Alex nervt mich nicht nur zuhause, sondern auch wenn ich unterwegs bin. Ist aber auch ok, ich habe angefangen mit mir selber in solchen Situationen Backpacker Bullshit Bingo zu spielen. Nach:
    – „Oh da war ich auch, aber bin dann doch lieber gleich weiter nach XXX, nicht so viel los“
    – „So viel habt ihr bezahlt, ja?“
    – „Wie ist es denn dort jetzt? Ich war ja vor 10 Jahren dort, als da noch niemand war“
    stehe ich meistens einfach auf und gehe 😀

    Ich stimme dir zu: soll jeder doch verreisen wie er will. Nur weil für mich AIDA Reisen ein persönlicher Albtraum sind, muss ich doch niemandem seinen Spaß verderben!

  3. Wir haben auch schon öfter solche Leute getroffen die uns sagen wollten, was am besten ist. Das nervt manchmal echt, manchmal ist es aber auch praktisch, z.b. wenn man in Thailand von A nach B gereist ist und wieder von B nach A zurück will, dann kann man wenigstens nutzen daraus ziehen 😉
    Es passiert aber auch manchmal unbewusst, das wir in diese Verhaltensweise rutschen, ich glaube das ist so eine Art Reflex ?
    LG
    Sarah

    • Hallo Sarah,
      ja, ich glaub auch dass das manchmal unterbewusst passiert. Wie gesagt, ich denke, wir machen das auch in anderen Lebensbereichen wie z.B. wer hat den miesesten Job oder so. Ich arbeite daran, das alles nicht so wichtig zu nehmen 😉
      Liebe Grüße
      Imke

  4. Oh ja, wer kennt es nicht?! Dabei ist es so sinnlos, gerade wenn es darum geht, wer in welcher Zeit mehr Länder bereist hat. Ich meine, es geht doch nicht darum, mehr Staatsgrenzen zu überqueren als jemand anderes, sondern ein Land wirklich kennen zu lernen. Das scheinen viele zu vergessen und lassen sich anstatt dessen auf dein beschriebenes Pokerspiel ein. Schade…

    • Hallo Kuno,
      ich finde es auch legitim, wenn es Leuten wichtig ist, möglichst viele Länder abzuhaken. Das ist halt nur ein Reisestil oder ein Ziel, das nicht meinem entspricht. Ich finde es dann immer nervig, wenn einem diese Leute suggerieren, man selbst hätte etwas falsch gemacht, weil man „nur“ xy Länder bereist hat. Das blöde am Poker ist aus meiner Sicht eben dieser Wettstreit. Daher wollte ich das in diesem Artikel einfach mal loswerden 😉
      Liebe Grüße
      Imke

  5. Hallo Imke,

    das Thema ist ja zur Zeit (auch durch die den ZEIT-Artikel – welch Wortspiel :D) in aller Munde.

    Am Anfang dachte ich ähnlich wie du, was das doch alles für tolle Reisende mit beeindruckenden Geschichten sind. Dann lässt man sich irgendwann dazu hinreißen „mit zu pokern“. Und irgendwann ist man nur noch genervt davon…

    Interessant fand ich auch, dass dieses Spielchen vor keiner Alters- und Reiseart Grenzen kennt. Erst vor wenigen Wochen mussten wir leider immer wieder mit anhören, wie sich ein amerikanisches und britisches Paar älteren Baujahres permanent überboten. Interessant war auch, dass keiner von den vieren auch nur ansatzweise Spanisch sprach, obwohl sie praktisch alles in Lateinamerika gesehen hatten. Zumindest laut ihren Erzählungen 😉

    Deinen Schluss unterschreibe ich übrigens voll und ganz. Jeder so wie er will!

    Liebe Grüße
    Chris

    • Hallo Chris,

      ja, Marie und du, ihr kriegt das ja jetzt wahrscheinlich hautnah mit. Ich bin ja wieder zu Hause, quasi in der sicheren, pokerfreien Zone 😉 Dass durch alle Altersstufen und Reisearten hinweg gepokert wird, glaube ich auch. Die Trümpfe sind nur verschieden.

      Liebe Grüße,
      Imke

      P.S.: Verschlägt es euch beide eigentlich auch noch nach Südamerika?

      • Genau so ist es. Wir versuchen uns da aber so gut es geht rauszuhalten…

        Ja, das war mal unser Plan. Bis nach Kolumbien wollen wir es auf jeden Fall noch schaffen. Ob es dann zeitlich und finanziell für mehr reicht, wissen wir noch nicht. Sind irgendwie eher die langsamen Reisenden 😀

        Liebe Grüße
        Chris

  6. Pingback: Hangover, verkatert in San José • Chris von Worldonabudget

  7. Vanessa

    Danke für diesen Artikel. Ich habe ja manchmal fast ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir einen Pauschalurlaub im Resort gönne. Dabei brauche ich es ab und zu einfach, mich um nichts selbst kümmern zu müssen.

    • Hey Vanessa,

      danke für deinen Kommentar. Ich denke auch, dass jeder einfach den Urlaub machen sollte, den er gut findet. Backpacker neigen manchmal dazu, Pauschalurlaub zu verteufeln. Aber es kann ja auch entspannend sein, sich mal um nichts kümmern zu müssen 😉

      Liebe Grüße, Imke

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